Ich liebe es, im Mai mit dem Auto durch die Lande zu fahren. Der tuschkastengelb blühende Raps zieht im Vorbeifahren die Aufmerksamkeit magisch auf sonst unbeachtet vorbeifliegende Felder. Für die Zeit ihrer Blüte prägt die Pflanze die Landschaft. Verändert sie. Raps ist wahrscheinlich eine Kreuzung aus Wildkohl mit Rübsen, die im Mittelmeerraum entstand. Im Mittelalter wuchs er wild und unkultiviert. Die Menschen erkannten die Kraft seiner Samen, aus dem sich Lampen- und Speiseöl gewinnen ließ, und seit dem 17. Jahrhundert wurde die Wildpflanze auf Feldern angebaut. Inzwischen ist Raps eine wirtschaftlich bedeutende Nutzpflanze, liefert ihr Schrot Futtermittel, ihre Samen Nahrung und Kraftstoff und ihr gelber Zauber ist aus der Frühlingslandschaft nicht mehr wegzudenken.
Wenn ich im Internet unterwegs bin, haben Elternblogs auf mich oft eine ähnliche Wirkung. Rapsgelb leuchtend ziehen sie meine Aufmerksamkeit auf Lebensfragen, die sonst unbeachtet an mir vorbeigerauscht wären. Entstanden wahrscheinlich aus einer Kreuzung aus Erzähllust und Austauschmöglichkeit wurden sie anfangs als Hausfrauen-Bullerbü abgetan. Doch mit der Zeit erkannten die Menschen ihre Kraft. "Familienblogs sind Seismographen gesellschaftlicher Entwicklungen", hieß es etwa beim ersten Blogger-Café des Familienministeriums, bei dem das Serviceportal familien-wegweiser.de vorgestellt wurde und der Staatssekretär des Ministeriums Dr. Ralf Kleindiek mit bloggenden Müttern und Vätern über die Herausforderungen für die Familienpolitik diskutierte.
Über 2000 Elternblogs gibt es inzwischen im deutschsprachigen Raum. „Sie prägen eine Elterngeneration hin zu Toleranz“, sagte Nora Imlau, Journalistin und Fachautorin für Familienthemen, bei der ElternbloggerInnen-Konferenz „Blogfamilia“, die im Monat des blühenden Rapses, am 12. Mai, in Berlin stattfand. „Elternblogs brechen Tabus, schaffen Öffentlichkeit für Themen und Probleme der Familien.“
Was sie damit meint, zeigt ein Blick auf einige der unterschiedlichen Elternblogs, die tuschkastengelb im Internet blühen. So wird auf Sonea Sonnenschein, Vorstadtzauber und Kaiserinnenreich sehr persönlich über das Leben mit behinderten Kindern erzählt. WheelyMum schreibt über ihren Alltag mit Mann, Kind und Rollstuhl, Herr Bock über sein Leben mit Familie und Depression.
Bei Juramama und Smart-Mama wird juristisches Know-how rund ums Elternsein geboten. Alleinerziehende finden sich und ihre Situation auf Mama-arbeitet, Mutterseelesonnig, Perlenmama oder Starkundalleinerziehend wieder.
Wer wissen will, wie sich andere Familienkonstellationen jenseits des klassischen Mutter-Vater-Kind-Modells anfühlen, kann bei SiebenkiloPaket, Jochen König oder Frau Papa vorbeilesen.
Wie sich in einem klassischen Familienuniversum manchmal die Sterne im Chaos drehen, wird unter anderem bei Super Mom, Johnnys Papablog, Ich bin dein Vater, Frische Brise, Nieselpriem, Sandkuchen-Geschichten, Unangespiesst, Terrorpüppi, das Nurf, Frau Mutter oder Familienbetrieb erzählt und bei Große Köpfe sogar aus ihrer und aus seiner Sicht. Eltern von Zwillingen können sich auf chaoshoch2 oder Einer schreit immer wiederfinden.
Wer in Erziehungsfragen Rat sucht, kann sich auch vertrauensvoll an Hebammenblog, Geborgen Wachsen oder Gewünschtes Wunschkind wenden oder an magazinartige Blogs wie Stadt Land Mama und Tollabea. Dort können Leserinnen auch anonym über ihre eigenen Grenzerfahrungen etwa bei Abtreibung oder Fehlgeburten berichten oder konkrete Fragen an die Lesergemeinschaft stellen.
„Elternblogs zeigen die Vielfalt in Erziehung und moderner Elternschaft“, meinte Nora Imlau treffend. Ich hoffe, dass die Mütter und Väter hinter diesen und den vielen anderen gelbleuchtenden Blogs bei der nächsten Rapsblüte 2018 wieder zusammenkommen - auf der Blogfamilia.
P.S. Mit diesem Beitrag bewerbe ich mich übrigens beim scoyo ELTERN! Blog Award 2017. Mal sehen, was passiert ;) Wer auch Lust hat, man kann noch bis zum 31. Juli Texte einreichen. Infos dazu gibt es hier