Die Bilder aus Freital und Heidenau lassen Erinnerungen aufbrechen: Es war kurz nach der Wende. Wir waren jung, wir waren Brandenburger, wir waren Links und machten uns die Welt, wie sie uns gefiel.Wir hatten unseren Parkclub, rockten zu Feeling B. und Sandow ab, diskutierten nächtelang darüber, wie aus „Wir sind das Volk“ „Wir sind ein Volk“ geworden war, sammelten bei Soli-Konzerten Spenden. Alles war irgendwie neu, irgendwie anders. Beängstigend und aufregend zugleich.
Doch es gab auch die anderen. Die mit den rasierten Schädeln und den weißen Schnürsenkeln in den Springerstiefeln. Mehr als einmal standen sie uns nachts gegenüber, im Park vorm Club. Es gab Übergriffe auf Flüchtlinge und Linke. Und die wurden zu Nachrichten. Deutschlandweit. Weltweit. Schon damals - noch ohne Internet. Verdrängten Normalität, Solidaritätsaktionen, Stadtfeste und ehrenamtliche Helfer aus der Wahrnehmung. Meine Heimat Brandenburg – für den Rest der Republik nur noch Naziland. Und der grölenden Horde stumpfer Irrlichter schwoll die Brust vor Stolz.
In Zeiten der Digitalisierung und Globalisierung ist wieder alles irgendwie neu, irgendwie anders. Und wieder marodiert der rechte Pöbel. Auf den Straßen und im Internet. „Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine Minderheitenmeinung extrem populär erscheinen“ , sagt Kristina Lerman von der University of Southern California in einem Spiegel-Artikel über Meinungsbildung und Revolutionen im Zeitalter digitaler Netzwerke. Menschen würden sich an der Mehrheit orientieren. Doch was sie als Mehrheit wahrnehmen, kann verzerrt werden.
Im Moment wird „der Sachse“ als grölender und rechter Idiot und undankbarer Ossi wahrgenommen. Doch es gibt noch viel mehr andere „Sachsen“: Die spenden. Die im Internet Unterstützung für die ankommenden Flüchtlinge organisieren. Die vom Rad steigen, um den Neuankömmlingen zur Begrüßung die Hand zu schütteln. Die versuchen, ihrer Angst vor dem Fremden mit Diskussionen und Begegnungen entgegenzutreten. Die helfen, in kürzester Zeit in den provisorischen Unterkünften Betten aufzustellen. Alle die, die Menschlichkeit leben. Sie dürfen nicht aus der Meinungsbildung ausgeblendet werden! Nicht in Heidenau, nicht in Freital, nicht im Rest des Landes. Im Gegenteil! Ich glaube, dass die Mehrheit der Menschen in Deutschland solidarisch ist.
"Sachsen", die sich für ein menschliches Miteinander stark machen, findet man im Internet zum Beispiel bei Banda Comunale, Willkommen in Hochland, Umweltzentrum Dresden, Dresden für alle, DRK Kreisverband Pirna, Verein Zivilcourage.
Auch bei von Paul Huizing ins Leben gerufenen Initiative#bloggerfuerfluechtlinge, bei der Spenden gesammelt und Stellung gegen Rechts bezogen wird, sind - wie Andrea von Nieselpriem und Simone von KiKo - viele aus Sachsen dabei.
Eine Sammlung von Hilfsprojekten und Initiativen findet sich unter "Wie kann ich helfen!"
Auch das ist Sachsen! In Freital tanzen Flüchtlinge zur Musik von Banda Comunale