Noch informiert sich meine neunjährige Tochter regelmäßig bei Radio Teddy und den KiKa-Nachrichten „Logo“. Ob sie von dort zur „tagesschau“ oder zum „heute-journal“ wechseln wird? Wahrscheinlich nicht. Zumindest nicht im Fernseher. Ihre Hauptinformationsquelle wird sicher das Smartphone werden - und Youtube.
Auf dem Video-Portal gibt es unzählige Kanäle, mit Millionen Abonnenten oder mit einigen Hunderten. Mit politischen Themen oder Schminktipps, Musik oder Online-Spielen. Mit Nachrichten oder Verschwörungstheorien. Es gibt unter den Youtubern Profis und Anfänger. Mutige und Ängstliche. Kluge und Dumme. Ein riesiges Angebot, aus dem sich jeder Nutzer sein eigenes Unterhaltungs- und Nachrichten-Programm zusammenabonnieren kann. Laut einer aktuellen Studie stieg die Zahl der deutschen YouTube-Kanäle seit 2015 um 33 Prozent.
Auch meine Tochter wird bald auf diese Medienwelt stoßen. Ich schätze, spätestens mit zwölf oder dreizehn. Bevor es soweit ist und sie mehr auf ihre Freunde und Freundinnen hört als auf ihre Mutter, möchte ich ihr ein paar Leute aus dieser digitalen Youtube-Clique zeigen. Damit sie nicht nur denen folgt, die gerade angesagt sind oder die ihre analoge Clique toll findet. Sie soll ihre Youtuber nicht nur nach Abonnenten und Klickzahlen sondern auch nach Haltung und Werten abchecken.
Auf der KinderMedienKonferenz der Bundeszentrale für politische Bildung, bei der auch Projekte für und von Kindern ausgezeichnet wurden (Link zu den Preisträgern), saß ich bei einer Diskussionsrunde mit drei Internet-Medienmachern auf der Bühne, die ich innerlich sofort in Marias digitale Clique einlud.
Zum einen war da Tim, der Moderator des Kika-Medienmagazin „Timster“. Jeden Samstag stellt er für Grundschüler verständlich Internet-Phänomene, digitale Trends, neue Spiele und Berufe vor. Er erinnerte mich an Jean Pütz, der früher in der „Hobbythek“ zeigte, was man mit Werkzeugen anstellen kann und wie man aufpasst, um sich nicht auf die Finger zu hauen. Tim ist auch so Bastler, nur eben mit den Werkzeugen des 21. Jahrhunderts. Da seine Sendung am Samstag um 17.45 Uhr läuft und wir es fast nie schaffen, rechtzeitig einzuschalten, darf Maria sich „Timster“ im Internet ansehen. Er gehört also schon irgendwie zu Marias digitaler Bande.
Der zweite im Bunde war Simon, Mitgründer des Youtube-Kanals „Rocket Beans TV“, der rund um die Uhr sendet. Der Videospiel-Fan und Moderator wechselte vom Fernsehen ins Internet, weil er dort mehr Freiheiten hat. Und einen direkten Draht zum Publikum. Bei dem Online-Sender gibt es sogenannte „Let’s Plays“-Formate, bei denen Moderatoren Video-Games spielen und Spaß haben. Es gibt Talk-Sendungen, Morgenshows, Nachrichten, Interviews, aufgezeichnete Beiträge und Live-Sendungen. 24 Stunden am Tag. Wie im Fernsehen. Nur erinnert das ganze an eine WG, bei der die Kamera mitläuft. „Unsere Community erwartet keine Professionalität. Unsere Stärken sind vielmehr Authentizität, Humor und Ehrlichkeit“, meinte Simon. Der Sender als eine Art Kumpel, mit dem man abhängen kann und der einem die neusten Spiele zeigt. Auch so einen Kumpel braucht man in seiner Clique. Egal, ob analog oder digital.
Einer, von dem ich hoffe, dass ihn meine Tochter später abonniert, ist Blumio, der Polit- Rapper. Er schmiss die Schule, weil er den Kopf voller Musik hatte und seiner Leidenschaft folgte. Heute hat Blumio einen eigenen Youtube-Kanal mit mehr als 100.000 Abonnenten und bei Yahoo das Format „Rap da News!“ Er bezieht Position gegen Krieg, Ignoranz und Rassismus, ohne zu verdammen. Sein „Hey Mr. Nazi“ ist vielschichtiger als der „Schrei nach Liebe“ von den Ärzten. Ich mag seine Einstellung und Maria später hoffentlich seine Musik.
Entscheidend ist die Haltung, nicht das Medium.