Neue Zeiten brauchen neue Helden

Vor dem Einschlafen lese ich Maria jeden Abend aus einem Buch vor. Im Moment streifen wir durch das Zauberland von Alexander Wolkow und treffen dort auf fantastische Wesen, deren Herzlichkeit, Mut und Klugheit schon meine Kindheit begleitet haben. Als ich Maria nach unserem Ausflug ins Reich der Märchen beim Einschlafen beobachtete, fragte ich mich, welche Geschichten sie wohl eines Tages ihren Kindern vorlesen wird? Brauchen neue Zeiten nicht auch neue Helden?

Laut einer neuen Studie können schon heute mehr Kleinkinder ein Smartphone bedienen (35 Prozent) als sich die Schnürsenkel binden (14 Prozent). Nun muss man einschränkend dazu sagen, dass die Studie vom Internet-Sicherheits-Riesen AVG Technologies in Auftrag gegeben wurde und dass bei der gleichen AVG-Studie 2011 nur 9 Prozent der Kleinen ihre Schnürsenkel im Griff hatten, während 19 Prozent schon toll mit dem Handy ihrer Eltern spielen konnten. Die steigende Affinität zum Digitalen bedeutet also nicht zwangsläufig ein Veröden der realen Fähigkeiten. Sicher ist aber, dass unsere Tochter zu einer der ersten Generationen gehört, für die Apps, Internet und Soziale Netzwerke von klein auf so selbstverständlich sind wie Zähneputzen und Radfahren.

Sicher ist auch, dass für diese Generation neue Gute-Nacht-Geschichten geschrieben werden sollten. Eine hat Ende letzten Jahres weltweit für Aufsehen gesorgt. Das lag weniger an der Story, als an der Autorin und ihrer Heldin. Ausgerechnet Randi Zuckerberg, die große Schwester des Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, appelliert, mehr Zeit offline zu verbringen. In ihrem Kinderbuch hängt das kleines Mädchen Dot den ganzen Tag nur am Tablet rum, bis es eines Tages den Wischcomputer aus der Hand legt und lernt wie wundervoll das reale Leben sein kann. Auch ein Happyend – obwohl ich glaube, dass diese Geschichte mehr für Eltern geschrieben wurde als für Kinder.

Schöner finde ich persönlich das Projekt von Linda Liukas, eine Programmiererin, die sich selbst als „zukünftige Kinderbuchautorin“ beschreibt. Die Frau aus Finnland will mit ihrer Heldin Ruby Kindern die Grundbegriffe des Programmierens näher bringen. Beim Sammeln magischer Edelsteine zeigt das rothaarige Mädchen neben den Grundideen des Programmeschreibens auch, dass es fast immer eine Lösung gibt – und wenn man dafür das Problem in viele kleine zerlegt. Linda Liukas hat ihr größtes Problem - kein Geld für die Buchveröffentlichung – auch zerlegt: Im World Wide Web überzeugte sie viele Tausende davon, ihr ein ein paar Dollar für das Projekt zu geben. Mit dieser Form der Schwarmfinanzierung, auch Crowfundig genannt, wollte sie bei kickstarter.com 10 000 Dollar zusammenbekommen. Es wurden über 300 000. Es wird wohl nicht mehr lange dauern, bis die kleine Ruby neben Winnie Puh durch die Bücherwelt spaziert.