Bislang hegte ich die leise Hoffnung, dass digitale No-Go-Zonen meine Tochter schützen könnten. Die Hoffnung starb auf der Social Media Week in Hamburg. Ein 14-Jähriger verpasste ihr den Todesstoß. Dafür musste Joshua einfach nur aus seinem Alltag erzählen.
Seine Eltern hatten sich wirklich Mühe gegeben, seine Mediennutzung zu kontrollieren, dafür Zeitkärtchen gebastelt. Die Kinder bekamen zum Wochenanfang Bildschirmzeit in Form dieser Karten zugeteilt. Jede stand für 15 Minuten, die mit Fernsehen oder Internet eingelöst werden konnten. Da Joshuas Karten schon vor Ende der Woche aufgebraucht waren, tauschte er mit seiner Schwester Süßigkeiten gegen Zeitkärtchen. Als die Eltern dahinterkamen, wurden die Karten mit den Namen gekennzeichnet. Auch das half nur vorrübergehend, bis Joshua das Rohmaterial der Zeitkarten fand und sich seine fälschte.
Da griff Papa zum Router und drehte abends das Internet ab. Aber: „Je mehr wir regulierten, desto größer wurde Joshuas Ehrgeiz.“ Der Youtube-Fan lernte, Videos, die ihn interessierten, herunterzuladen und sah sie sich einfach an, wenn der Router im Schlafmodus ruhte.
Ähnlich verhielt es sich mit verbotenen Internetseiten. Wo immer ein Schild No-Go-Area aufgestellt wurde, wollte Joshua wissen, was sich dahinter verbarg. „Wir Eltern verlieren das Monopol darüber, was das Kind sieht“, resümierte Vater Thies Arntzen beim gemeinsamen Vortrag. Notgedrungen änderte er seine Erziehung. Machte sich weniger Sorgen, vertraute auf das Urteilsvermögen seines Kindes und begann, sich für Joshuas Mitbringsel aus der virtuellen Welt zu begeistern.
Er nennt sie Joshuas Internet-Krickelkrakel: schräge Videos, noch schrägere Statistiken „Es sterben mehr Menschen durch Eselstritte als durch Haie“ oder umgefallene Sätze wie „Computerprogramme gucken sich nicht an, bevor sie weglaufen“.