Maria hat jetzt ihr eigenes Mailfach - unter einem Fantasienamen. Ich wollte nicht, dass sie jedem ihre Identität preisgibt, um sie zu schützen. Aber war es von einer Siebenjährigen nicht zu viel verlangt, Konzepte wie „Spam-Mail“ zu verstehen? Gab ich ihr Flügel, bevor sie verwurzelt in der virtuellen Welt stand? Ich kam bei dieser Frage einfach nicht weiter, bis mich ein Bekannter auf eine geniale wie naheliegende Idee brachte: Schreib ihr doch selbst eine Spam-Mail.
So könnte ich sehen, ob bei ihr die Alarmglocken schrillen, wenn ein virtueller Brief an „Fantasiename“ und nicht an Maria adressiert war. Und falls nicht, ein paar Wurzel-Informationen nachreichen.
Spams zielen auf Emotionen – Schreck über eine unerwartete Rechnung, Angst vor Kontosperrung oder Freude über einen unglaublichen Gewinn. Der Begriff kommt aus der analogen Welt und ist ursprünglich der Markenname eines amerikanischen Dosenfleischs. Während des zweiten Weltkriegs war Spam eines der wenigen Nahrungsmittel, das in fast „aller Munde“ war. Die britischen Komiker von Monty Python widmeten dieser Omnipräsenz später sogar einen eigenen Sketch. 1993 wurde der Name zum ersten Mal für unerwünschte Botschaften in der digitalen Welt verwendet. Die Bezeichnung setzte sich durch, obwohl der Konservenhersteller Hormel Food Corp 2003 dagegen klagte, weil er die „gute Reputation des Namens“ in Gefahr sah.
Welche Spam wollte ich meiner Tochter servieren? Angst, Schreck oder Freude? Ich entschied mich für eine angebliche Gewinn-Mail, weil ich ihr keine Angst einjagen wollte. „Hallo Fantasiename. Glückwunsch, Du hast beim Gewinnspiel einen Riesen-Teddy gewonnen. Du musst uns nur eine Mail mit deiner Adresse schicken und dann bekommst du ihn. Oder Du schickst uns fünf Euro auf das Konto Sparkasse 1234567. Viel Glück“
Die Nachricht schickte ich von einem eingestaubten Uralt-Konto, an dem meine Tochter nicht erkennen würde, dass ich dahinter steckte. Dachte ich zumindest. Doch scheinbar hatte ich mir damals weniger Gedanken über den Umgang mit Daten gemacht. Denn, obwohl mein Name nicht in der Mailadresse auftauchte, stand er wenig später als Absender in Marias Computer. „Hast du mir eine Mail geschickt?“, fragte Maria. „Nein Schatz.“ Stille. „Mama, komm mal her. Hier ist was komisch. Da steht ,Hallo Fantasiename'.“ Sie zeigte mir ihr Postfach, wo jeweils die erste Zeile jeder Nachricht zu lesen ist. Ich sagte ihr, dass wir die Mail zusammen öffnen könnten, ohne dass – wie sie befürchtete – ihr Tablet davon kaputt gehen würde. Maria las laut vor und fragte dann: „Mama, ist die wirklich nicht von dir?“ „Doch.“ „Das ist gemein.“ Ich entschuldigte mich und sagte ihr, dass die Mail eine Art Test war.
Und, dass sie auch vorsichtig sein müsse, wenn sie den Absender kennt. Dann erzählte ich ihr, wie mich einmal die Mail einer mexikanischen Freundin erreichte, in der sie um Hilfe bat. Angeblich war sie, die wirklich verdammt viel reiste, in Nairobi beklaut worden und brauchte dringend Geld. Da sie weder ans Festnetz noch ans Handy ging, war ich damals kurz davor, die Geschichte zu glauben. Stutzig machte mich allerdings der Schluss „Möge Gott dich beschützen“. Ihr Konto war geentert worden wie von einem Piratenschiff. „Das ist aber wirklich gemein“, beschloss Maria. Sie hatte mir inzwischen meine Test-Mail verziehen. Das merkte ich, als mich kurz darauf eine Spam von ihr erreichte: „Hallo Katja, du krixt ein app.“
Der Spam-Sketch von Monty Python