Computer zu Werkzeugen

Unsere Lütte hat jetzt ihr Tablet und darf "selbst bestimmen", wann sie damit spielt. Oft liegt der Computer tagelang unberührt an seinem Platz, weil ihr Basteln, Malen, Schule oder Reiterhof spielen wichtiger sind. Ich bin erleichtert darüber, dass Maria nicht der Faszination des Digitalen erlegen ist und frage mich: Was ist der nächste Schritt?

Die Antwort suche ich auch in dem Buch „Wie Kinder wachsen“, das der Göttinger Neurobiologe Professor Gerald Hüther zusammen mit dem Kinderarzt Herbert Renz-Polster veröffentlicht hat. Kein klassischer tun-Sie-dies-und-lassen-Sie-das-Ratgeber, sondern ein spannendes Plädoyer für das elterliche Bauchgefühl, das Kinderspiel (am besten im Freien) und einen gesunden Umgang mit der virtuellen Welt.

„Digitale Medien sind ein tolles Werkzeug. Allerdings sind sie auch ein Instrument zur Affektregulierung, also zur Unterhaltung, zum Frustabbau, zur Ablenkung oder als Ersatz für fehlende Herausforderungen im realen Leben“, meint Professor Gerald Hüther, als ich ihn in der Georg-August-Universtität zum Interview ans Telefon bekomme. Sein Rat: „Kinder sollten digitale Medien zuerst als Werkzeuge kennenlernen, mit deren Hilfe man etwas gestalten, erstellen oder erzeugen kann.“ Zum Beispiel Fotos machen, digitale Collagen zusammenstellen, kleine Filme drehen. Recherche oder eine Bastelanleitung, im Internet ausgesucht und in der realen Welt zusammengeklebt, gehören ebenfalls zum PC-Werkzeugkasten.

Auch Abc-, Rechen- oder Malspiele können wie Hammer und Bohrer sein, wenn sie das reale Leben des Kindes bereichern. Mir fiel da eine Lieblings-App meiner Tochter ein: Ampelini. Spielerisch lernt sie mit den (wie ich finde etwas altklugen) drei Ampelfarben-Männchen Verkehrs- und Sicherheitsregeln. Dort spielt sie Situationen durch, die sie auf der Straße anwenden kann „Die Ampelinis sagen, nach links und rechts gucken.“

Würden neue Medien nur zur Unterhaltung genutzt, bergen das-sich-Berieseln-lassen, das Herumdaddeln und der schnell erspielte Sieg die Gefahr, dass sich das Kind in der digitalen Welt verlieren kann. Professor Hüther berichtet von einer verzweifelten Mutter, deren Sohn seine Zeit am liebsten mit der Spielkonsole verbrachte. Er riet der Frau, sie solle auf „Schatzsuche“ gehen. „Eltern müssen herausfinden, wofür sich ihr Kind wirklich begeistert, woran es wachsen kann.“ Der Junge lernt jetzt Bogenschießen. Egal ob Sport, Backen oder Tanzen, der Hirnforscher meint: „Kinder, die etwas haben, wofür sie brennen und wobei sie sich wohl fühlen, brauchen nicht den Sieg, um sich gut zu fühlen.“

Und dann kann der Computer als Werkszeug gute Dienste leisten...