Warum Fotos lügen können

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 Wir standen an der Haltestelle und warteten auf den Bus als Maria sagte: „Guck mal Mama, das ist das glücklichste Baby, das ich je gesehen habe“. Ich scannte alle drei Babys in der Nähe und fand das keines besonders glücklich aussah. „Wo denn, Schatz?“ „Da, auf dem Foto!“ Das Foto war ein Werbe-Plakat für ein Volksfest und das Babymodel dank Fotoshop zu einem strahlenden, überdimensionalen Glückskeks mutiert. „Schatz, das ist Werbung und das Foto nicht echt.“ Es folgte eine lange Diskussion, warum ein Foto, das eindeutig ein Foto war, nicht echt sein sollte. Schließlich hatte unsere Lütte selbst eine digitale Kinder-Kamera und die Fotos darin waren alles Abbildungen von echten Menschen, realen Kuscheltieren und – nicht zu vergessen – ihrem Kater. Meine Argumente überzeugten sie nur sehr bedingt. Schließlich sei das Baby ja echt und wenn es gar nicht so glücklich ist, wäre es ja gelogen. Und Lügen soll man nicht. Das wiederum zog ein „Naja-manchmal-ist-Schwindeln-ja-auch-okay“-Gespräch nach sich, als endlich der Bus anrollte und mich erlöste. Doch klar war, es gab Handlungsbedarf.

Als Maria mich das nächste Mal in der Redaktion besuchte, gab ihr ein lieber Kollege eine „Fotoshop“-Lernstunde. Mit großer Begeisterung setzte sie einem Foto von sich Hörner auf, färbte sich die Haare orange und pflanzte sich dann noch eine krumme Hexennase mitten ins Gesicht. 

Nun hat wahrscheinlich nicht jeder von euch einen Bildbearbeiter im Bekannten- oder Kollegenkreis. Macht aber nichts. Frisur-Änderungs-Apps funktionieren genauso gut. Und als wir der Oma ein Foto von Marias angeblicher neuer Kurzhaar-Frisur schickten, fand sie auch, dass man manchmal kurz Schummeln kann. Aber nur ein bisschen...