Für mich ist Immanuel Kant ein kluger Erziehungsratgeber: „Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte.“ Sprich: Lebe vor, wie dein Kind werden soll. Off- wie Online.
Seit Maria klein war, habe ich immer den Fahrer gegrüßt, wenn wir in den Bus stiegen, den Kita-Erzieherinnen einen schönen Tag und im Geschäft einen schönen Feierabend gewünscht. Wir sagen Danke und Bitte, selbst bei „Ich will, dass du jetzt ins Bett gehst“. Wenn ich mal zu Unrecht aus der Haut fahre, entschuldige ich mich anschließend bei ihr. Und wenn wir uns streiten, suchen wir danach nicht den Schuldigen, sondern nach dem Warum.
Auch Online versuche ich, ihr die Werte Respekt und Höflichkeit zu vermitteln. Wir haben häufiger schon darüber gesprochen, dass Worte und Fotos im Internet eine andere Dynamik bekommen als in der realen Welt. Dort kann ein Bild zerrissen, ein falsches Wort mit einer Entschuldigung zurückgenommen werden. Im Internet ist das fast unmöglich.
Bevor ich einen Blogbeitrag Online stelle, in dem Maria vorkommt, lese ich ihn meiner Tochter zur Abnahme vor. Manchmal lässt sie ihn ohne eine Änderung durchgehen. Oft aber sind es Kleinigkeiten, die sie anders haben möchte. Da wird aus einem „so wichtig wie Weihnachten“ ein „beinahe so wichtig wie Weihnachten“. Oder sie will noch einen erklärenden Satz eingefügt haben. Manchmal streicht sie mir auch Absätze heraus, die ich niedlich finde, ihr aber zu persönlich sind. Dann bin ich ein bisschen traurig über meine verlorenen Sätze und gleichzeitig unheimlich stolz auf meine umsichtige Tochter.
Vor kurzem erzählte sie mir von einem Streit in der Schule und benutzte eine herrliche Wortschöpfung. Als sie beschrieb, wie der Junge immer wieder vor dem klärenden Gespräch wegrannte, meinte Maria zu mir: „Er war misstrauisch, wie ein falscher Magnet.“ Mit ihrer Genehmigung durfte ich den Satz ins Internet schreiben. Ich wollte ihn gern twittern. So erklärte ich ihr, dass Twitter eine Seite im Internet ist, auf der man nur kurze Sätze schreiben kann und nicht so lange Artikel wie im Blog. Sie wollte, dass ich es ihr zeige. Und so schrieben wir in meinem Account unseren ersten Mutter-Tochter-Tweet. Ich tippte ihren Satz ins Smartphone, und Maria fügte ein paar Emoji-Figuren dazu.